Bündnis Aufruf
In München existieren zu wenig Freiräume. Platzmangel, ausgelöst durch Gentrifizierungs- und Privatisierungsprozesse, als auch nachhaltig mangelnde Unterstützung seitens der Stadtverwaltung, führen zu Verdrängung und immer weniger Orten der Selbstentfaltung. Dadurch verstärken sich prekäre Situationen.
Eine Stadt ohne bezahlbare Wohn- und Arbeitsräume ist kulturell und sozial untragbar. Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Existenzberechtigung von Räumen außerhalb von ökonomischem Zweck und Wachstum liegen kann. Eine Gesellschaft, in der soziale Ungerechtigkeit bekämpft, nicht genährt wird. Wir fordern Räume, in denen sich revolutionäre, innovative Ideen potenzieren und Konventionen aller Art in Frage gestellt werden können. Unser Ziel ist eine lebenswerte Zukunft.
Dafür bedarf es freier und sicherer Räume, in denen autark gewirkt werden kann. Orte, die mitdefiniert und mitgestaltet werden können. Visionen müssen erfahrbar gemacht werden, damit kreativer, kritischer Wandel geschehen kann. Es geht nicht nur darum, wo wir leben können, sondern auch darum, wie wir leben. Freiraum muss für alle da sein, nicht nur für die, die es sich leisten können. Die Aneignung und Gestaltung von Freiräumen ist dabei untrennbar von der Auseinandersetzung mit Herrschafts-, Macht- und Diskriminierungsformen.
Als Bündnis für Freiräume*n in München sind wir dem in den letzten zwei Jahren auf verschiedene Weisen nachgegangen. Einen Überblick über diese Bestrebungen – und darüber hinaus – gab unser Forum für Freiraum im Dezember 2022. Innerhalb von wenigen Wochen wurden 5000qm in der Schillerstraße aktiviert, um ein inspiriendes, performatives Beispiel von Raumaktivierungsmöglichkeiten vorzustellen und um Raum in der Münchner Innenstadt inklusiv und möglichst herrschaftsfrei zu gestalten.
Jetzt wollen wir weitergehen, und die Suche nach Freiräumen, aber auch nach guten Awareness-Praxen intensivieren und öffnen.
Alle interessierten Kollektive, Initiativen, Individuen und Gruppen aus München und Umland sind herzlich eingeladen, sich diesem Prozess anzuschließen. In gemeinsamen Treffen wollen wir Erfahrungen mit Awarenessprozessen und kollektiver Verantwortungsübernahme teilen. Unsere Onboarding-Struktur ist jederzeit für einen ersten Kontakt ansprechbar.
Dabei wollen wir uns auch zu konkreten Freiräumen austauschen – ob Leerstand, vor oder nach der Aktivierung, oder bestehende Freiraum-Projekte. Wir besprechen Möglichkeiten, wie Münchner Freiraum gemeinsam und nicht-kommerziell, trotz aller Unterschiede und ggf. (sogar) vermeintlich widersprüchlichen sozialen Kontexten/Hintergründe, gestaltet werden kann.
Kommt als Gruppe oder Einzelpersonen oder Delis zum monatlichen Plenum, werdet mit uns aktiv beim Ringen um mehr Freiraum in der Stadt!
-oder-
Freiräume*n Selbstverständnis
Freiräumen München ist ein loses Bündnis aus verschiedenen Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich für eine unkommerzielle, emanzipatorische Gestaltung von Freiräumen in München einsetzen. Freiräume*n agiert dabei nicht als feststehendes Konstrukt, und handelt auch nicht nach einem Konsensprinzip. Freiräumen ist mehr eine Plattform zum Austausch und zur Koordinierung verschiedenster Beteiligte. Der verbindliche gemeinsame Nenner sind die Awareness-Grundsätze (siehe unten).
Die verschiedenen Aktionsformen werden jeweils von denjenigen festgelegt, die Kapazitäten für die Aktionen aufbringen wollen. Aktionsformen ergeben sich je nach Bedarf und Verfügbarkeit. Unser Anspruch ist die Verwirklichung konkreter experimenteller und selbstorganisierter Raum-Utopien.
Um über konkrete Freiräume und Aktionen zu sprechen, sowie um Awareness-Thematiken anzugehen, gibt es ein monatliches Freiräume*n Plenum. Der Erstkontakt läuft über die Freiräume*n Onboarding-Struktur.
Awareness-Grundsätze
Im Rahmen des Forums für Freiraum 2022 wurden Awareness-Grundsätze etabliert, die zukünftig bei allen gemeinsamen Prozessen als Konsens vorausgesetzt werden. Die Grundsätze werden konstant reflektiert und erweitert.
1) Konsens / Zustimmung bei allen Interaktionen
Individuelle Grenzen werden respektiert: Nein heißt immer nein! Und noch wichtiger: Nur ja heißt ja!
2) Ansprechbarkeit der Awareness-Struktur
Die Awareness-Struktur ist jederzeit ansprechbar (bei Veranstaltungen vor Ort und allgemein unter awareness@freiraeumen.jetzt) und sorgt dafür, dass sie so wahrgenommen wird, und geht sensibel und ergebnisoffen auf Menschen zu.
3) Compliance, wenn Awareness gecallt wird
Wir erwarten von allen, denjenigen aktiv zuzuhören, die sagen, dass sie übergriffig behandelt wurden.
4) Solidarität & Parteilichkeit
Wir sind solidarisch mit den Betroffenen von diskriminierenden Handlungen und parteilich im Sinne des unkommerziellen und emanzipatorischen Anspruchs des Bündnisses.
5) Fehlertoleranz
Wir begegnen uns gegenseitig mit der Annahme, dass wir alle Fehler machen, und Kritik auf unser Verhalten und nicht auf unsere Persönlichkeit beziehen. Wir wollen uns unsere Fehler nachsehen und gemeinsam daraus lernen – in der Gewissheit, dass diskriminierendes Verhalten nie toleriert wird.
6) Alle sind mitverantwortlich.
Awareness Arbeit funktioniert nur, wenn sich alle darin einbringen. Alle schauen hin und beleuchten problematisches Verhalten oder Konflikte aktiv, mit dem Ziel einer Deeskalation oder solidarischen Parteinahme.
Glossar
Erklärung von schwierigen Wörtern
Awareness: Awareness ist ein Begriff, der das Bewusstsein und das Verständnis für bestimmte Themen oder Probleme betont.
Es bedeutet, dass Menschen sich bewusst sind, über etwas informiert sind und Verständnis dafür haben.
Diskriminierung: Diskriminierung ist, wenn Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion, Geschlecht, Behinderung oder anderer Merkmale schlechter behandelt werden als andere Menschen.
Diskriminierung ist unfair und ungerecht. Es kann sich in verschiedenen Formen zeigen, wie zum Beispiel Mobbing, Ausgrenzung, Benachteiligung oder Ungleichbehandlung. Diskriminierung ist nicht in Ordnung und jeder Mensch hat das Recht, gleich behandelt zu werden, unabhängig von seinen Merkmalen oder Hintergrund.
Es ist wichtig, Diskriminierung zu erkennen, dagegen einzutreten und für eine inklusive und gerechte Gesellschaft einzustehen.
Diversität: Diversität bedeutet, dass Menschen unterschiedlich sind und viele verschiedene Eigenschaften, Merkmale oder Hintergründe haben. Dazu gehören zum Beispiel die Hautfarbe, Herkunft, Religion/Weltanschauung, Geschlecht, Behinderung, Alter oder sexuelle Orientierung.
Diversität ist etwas Positives. Jeder Mensch ist einzigartig und hat das Recht, so akzeptiert und respektiert zu werden, wie er oder sie oder ist*sind. Diversität als etwas Positives zu verstehen bedeutet, Vielfalt anzuerkennen, zu schätzen und zu fördern, und Menschen unabhängig von ihren Unterschieden gleichberechtigt zu behandeln.
Emanzipation: Emanzipation ist, wenn Menschen, die von anderen beherrscht werden, für sich selbst eintreten und dafür kämpfen, dass sie nicht mehr beherrscht werden, sondern frei und gleich in Rechten sind.
Emanzipation bedeutet, dass Menschen ihre Selbstbestimmung und Unabhängigkeit erlangen und sich von Einschränkungen oder Abhängigkeiten befreien, um ein gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben zu führen.“
Ideologie: Ideologie ist, wenn Menschen bestimmte Überzeugungen, Meinungen oder Vorstellungen haben, die ihr Denken und Handeln beeinflussen. Eine Ideologie kann eine bestimmte politische, soziale oder religiöse Ausrichtung haben und Menschen dazu bringen, bestimmte Ansichten oder Ziele zu vertreten.
Ideologien können unterschiedlich sein und verschiedene Menschen oder Gruppen können unterschiedliche Ideologien haben. Es ist wichtig zu beachten, dass Ideologien nicht immer objektiv oder wissenschaftlich begründet sind, sondern oft subjektive Überzeugungen darstellen. Es ist wichtig, kritisch zu hinterfragen und verschiedene Perspektiven zu berücksichtigen, um ein umfassendes Verständnis von Ideologien zu entwickeln.
Intersektionalität: Intersektionalität bedeutet, dass Menschen unterschiedliche Merkmale oder Identitäten haben, die miteinander verknüpft sind und sich gegenseitig beeinflussen können. Dazu gehören zum Beispiel die Hautfarbe, Herkunft, Geschlecht, Religion / Weltanschauung, sexuelle Orientierung, Behinderung oder soziale Klasse. Intersektionalität betont, dass diese Merkmale nicht isoliert betrachtet werden können, sondern in ihrer Kombination und Wechselwirkung analysiert werden müssen.
Es geht darum, dass Menschen unterschiedliche Formen von Diskriminierung oder Benachteiligung erfahren können, wenn mehrere Merkmale in ihrer Identität zusammentreffen. Intersektionale Ansätze zielen darauf ab, die Komplexität von Diskriminierung und Ungerechtigkeiten zu erkennen und zu verstehen, um soziale Gerechtigkeit und Inklusion für alle Menschen zu fördern.
Reflektieren: Reflektieren bedeutet, über etwas nachzudenken oder sich Gedanken zu machen. Es bedeutet, über eigene Gedanken, Gefühle, Handlungen oder Erfahrungen nachzudenken und darüber zu sprechen oder zu schreiben.
Reflektieren kann helfen, besser zu verstehen, warum man bestimmte Dinge denkt, fühlt oder tut, und ermöglicht eine bewusste Auseinandersetzung mit sich selbst und der eigenen Umwelt. Es kann auch dazu beitragen, die eigenen Handlungen zu überdenken und gegebenenfalls Veränderungen vorzunehmen.
Reflektieren kann helfen, sich selbst besser kennenzulernen und bewusster Entscheidungen zu treffen.
Safer Space: Ein ‚Safe Space‘ ist ein Ort oder Raum, an dem Menschen sich sicher und respektiert fühlen können, ohne Angst vor Diskriminierung, Ausgrenzung oder Angriffen zu haben. Es ist ein Ort, an dem Menschen offen über ihre Gefühle, Meinungen, Identitäten oder Erfahrungen sprechen können, ohne verurteilt oder angegriffen zu werden.
In einem ‚Safer Space‘ sollen alle Menschen respektiert, akzeptiert und wertgeschätzt werden, unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Religion, Behinderung oder anderen Merkmalen. Es ist ein Ort, an dem Diversität und Inklusion gefördert werden und Menschen ermutigt werden, sich auszudrücken und sich selbst zu sein, ohne Angst vor negativen Konsequenzen. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass wir in den bestehenden Verhältnissen leider keine 100% Safe Spaces schaffen können. Unser Anspruch ist es deshalb, Safer Spaces zu schaffen.
Solidarität: Solidarität bedeutet, füreinander einzustehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Es ist die Idee, dass Menschen gemeinsam für ein gemeinsames Ziel oder für das Wohl aller einstehen. Solidarität beinhaltet Empathie, Mitgefühl und das Verständnis für die Bedürfnisse anderer Menschen. Es bedeutet, für Gerechtigkeit einzutreten, Diskriminierung abzulehnen und sich für soziale, politische oder wirtschaftliche Veränderungen einzusetzen, die allen Menschen zugutekommen.
Solidarität kann in verschiedenen Formen ausgedrückt werden, wie beispielsweise durch Hilfeleistung, Unterstützung, Zusammenarbeit oder gemeinsame Aktivitäten, um für eine bessere Gemeinschaft oder Gesellschaft einzutreten.
Übergriff: Ein Übergriff ist, wenn jemand einer anderen Person körperlichen oder seelischen Schaden zufügt oder sie auf unangemessene Weise behandelt. Das kann zum Beispiel körperliche Gewalt, verbale Gewalt, Mobbing, Diskriminierung oder Belästigung sein. Ein Übergriff verletzt die Rechte und Würde einer Person und kann negative Auswirkungen auf ihr Wohlbefinden und ihre Sicherheit haben. Übergriffe sind inakzeptabel und sollten nicht toleriert werden. Es ist wichtig, Übergriffe zu erkennen, darüber zu sprechen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sie zu stoppen und Betroffene zu schützen.